ISO GPS: Chance statt nutzloses Monster
In manchen Unternehmen – vom einzelnen Mitarbeitenden bis hin zu ganzen Bereichen – wird ISO GPS (Geometrische Produktspezifikation) als Hindernis oder gar als schwerfälliges, nutzloses Monster betrachtet. Diese Sichtweise verkennt leider sehr viele Chancen, die GPS bietet. Gerade bei Kunststoffbauteilen kann GPS die Kosten für die Zeichnungserstellung und die Qualitätssicherung erheblich reduzieren.
„Ich werde ja sowieso gezwungen GPS zu machen!“
Es ist jedoch nicht so, dass GPS absolut zwingend ist (nur wenige Normen sind tatsächlich wirklich verpflichtend). Wer dennoch auf der sicheren Seite sein will, den Anschluss an zukünftige Entwicklungen nicht verpassen möchte und nachvollziehbare Qualität liefern will, sollte sich mit GPS auseinandersetzen.
Die klassische Bemassung weist einige massive Defizite auf, insbesondere im Bereich der Messtechnik und der Validierung. Wer also bei der klassischen Bemassung bleibt, arbeitet nicht mehr nach dem Stand der Technik und geht damit Haftungsrisiken ein. Im Streitfall wird man mit einer klassischen Bemassung immer unterliegen, da alles, was nicht klar spezifiziert ist, Interpretationsspielraum offen lässt. Dennoch kann es in Einzelfällen auch klassisch funktionieren. Daher ist es wichtig, die Implikationen zu verstehen, anstatt sich blind auf ein System zu verlassen.
„Ja, aber früher ging es doch auch!“
Korrekt! Jedoch fällt beispielsweise beim Betrachten einer klassischen Kunststoffteil-Zeichnung auf, dass diese meist überladen wirkt, aber dennoch Masse fehlen und anderes wiederum überbemasst ist.
Weitere übliche Fragen…
- Wurden die Allgemeintoleranzen wirklich validiert, oder hat man einfach gesagt: „Das wird schon passen!“?
- Konnte man die Funktion wirklich spezifizieren und konnte ich das mit einem Spezifizierungs-Werkzeug festhalten?
- Kommt der Messbericht doch als Abweichung nach Gauss, statt nach Spezifikationsauswertung?
- Warum muss ich dem Mechaniker genau vorgeben, wie er das Bauteil fertigen soll – sollte es nicht einfach funktionieren?
- Warum erhalte ich für ein und dasselbe Teil unterschiedliche Messergebnisse, je nachdem, welcher Mitarbeitende in der Wareneingangskontrolle oder welches Messlabor es prüft?
Solche Unsicherheiten lassen sich mit einer sinnvollen GPS vermeiden.
Wo ich die Probleme bei der Einführung von GPS sehe?
- Kultur: Veränderung stellt einen wesentlichen Bestandteil eines gesunden Unternehmens dar. Allerdings zeigt sich in der Praxis häufig eine mangelnde Bereitschaft, sich von Bestehendem zu lösen und sich auf Neues einzulassen. Die Angst vor dem Unbekannten stellt einen wesentlichen Widerstand gegen GPS dar. In Unternehmen, die mit GPS noch nicht vertraut sind, wird sie vielfach als „Hieroglyphen“ oder „überladene geometrische Toleranzen“ wahrgenommen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Reihe klarer geometrischer Anforderungen, die erfüllt werden müssen, damit das Bauteil schlicht und einfach funktioniert. Erforderlich sind ein klarer persönlicher Wille zur Umstellung sowie die Unterstützung durch das Management.
- Mangelndes Wissen: Wenn ich eine Zeichnung nicht sofort lesen kann, ist die Bauteildefinition deshalb schlecht oder ineffizient?
Der Wissensaufbau zum Thema GPS sollte überlegt gestaltet werden. Es geht darum, Defizite beider Systeme aufzuzeigen, Lösungen dafür anzubieten und abzuwägen, wo und wann GPS sinnvoll ist. Unklarheiten müssen geklärt werden. Eine kurze Zwangsschulung ausschliesslich für Ingenieure, ohne den notwendigen Praxisbezug und Raum für Austausch, ist keine nachhaltige Lösung.
Die Umstellung sollte nicht nur in der Konstruktionsabteilung stattfinden. Auch die Fertigung, Lieferanten, die Qualitätsabteilung und sogar das Management müssen die neue Sprache verstehen oder zumindest ihre Sinnhaftigkeit erkennen.
Ein niederschwelliger Zugang zu diesem Wissen ist daher essenziell. Gezielte Schulungen und die Begleitung durch Experten sind dabei entscheidend, um sicherzustellen, dass das Verständnis für GPS im gesamten Engineering-Prozess gestärkt und korrekt angewendet wird. - Kostenangst: Eine häufig zu vernehmende Aussage seitens der Fertigungspartner ist, dass eine geometrische Toleranz mit einem höheren Preis verbunden sei. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Grösse der Toleranz – und somit die geforderte Genauigkeit – einen deutlich höheren Einfluss auf die Kosten hat als die Art der Tolerierung (ob masslich oder geometrisch). Auch im Rahmen der Erstellung der technischen Zeichnung werden die anfänglichen Kosten häufig als Problem wahrgenommen. Eine frühzeitige Funktionsanalyse ermöglicht eine optimierte Spezifikationsvorgabe und führt in der Regel zu einer Kostenersparnis, insbesondere bei komplexen Teilen mit geringer Funktionsgeometrie (z. B. Kunststoffteile). Dies stellt eine klassische Investition dar, bei der die Vorteile überwiegen. Schulungen sind mit Kosten verbunden, sie sollten jedoch als Investition und nicht als notwendiges Übel betrachtet werden.
Wohin geht die Reise?
STEP242 ebnet den Weg zur durchgängigen Datenverarbeitung. Mit dem Einsatz von „Model Based Definition“ (kurz MBD) definieren Ingenieure unter anderem die geometrischen Anforderungen an die Funktion eines Bauteils. Simulations- und Toleranzberechnungen können diese Angaben direkt nutzen, ohne dass erneutes Preprocessing erforderlich ist. Der Datensatz kann auch von der CAM-Software automatisch in ein Maschinenprogramm umgewandelt werden, ohne mühsame Nachbearbeitung anhand von Zeichnungen oder anderen Parametern. Nach der Fertigung wird auf Basis des MBD- Datensatzes das Programm der Messmaschine erstellt und in der Qualitätssicherung auf effiziente Weise das Modell mit den Messergebnissen abgeglichen, um eine eindeutige Aussage über die Übereinstimmung zu treffen. Damit werden Einflüsse durch den Messprozess und die Interpretation des Messtechnikers als mögliche Fehlerquellen reduziert.
Fazit
Mit GPS definieren wir in erster Linie, “jene geometrischen Gegebenheiten, die für die Funktion eines Bauteils notwendig sind“ und die wir damit eindeutig und nachvollziehbar messen können.
GPS hat die Kinderschuhe längst hinter sich gelassen und befindet sich auf dem Weg zu einem ausgereiften Normen-System.
GPS ist ein Werkzeugkasten, den wir nutzen können. Jedes Werkzeug erfordert eine gewisse Einarbeitung, aber manchmal ist es besser, nicht alles mit dem altbekannten Hammer zu lösen…
Unterstützung durch konplan
Bereits in der Vergangenheit konnten wir Kunden bei der Anwendung von ISO GPS erfolgreich unterstützen. In Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden aus Konstruktions- und Entwicklungsteams der Kunden sowie unter Einbezug der Messtechnik wurden die bestehenden Zeichnungen anhand der Baugruppenfunktionen und Fertigungserfahrungen analysiert und auf einen GPS-konformen Stand gebracht. Die Fertigungsunterlagen sind nun wesentlich übersichtlicher und einfacher zu interpretieren, da unnötige Masse und Ansichten reduziert werden konnten. Weiter wird die Funktion besser abgebildet, da die Ausrichtung für die Messung direkt, entsprechend der Einbausituation, definiert wurde. Dadurch konnten fälschlicherweise als Ausschuss deklarierte Bauteile verringert werden und durch Reduzierung der Masse, zusätzlich durch den geringeren Messaufwand, auch Kosten eingespart werden.
Im Sinne unseres Slogans „gemeinsames entwickeln“, unterstützen wir von konplan gerne auch Sie gerne bei der Analyse Ihrer Bauteilzeichnungen, um diese und insbesondere auch Ihre Mitarbeitenden fit für die Zukunft zu machen. Dabei passen wir uns flexibel an Ihre Bedürfnisse an und sorgen für eine reibungslose Umsetzung. Ihr Mehrwert ist unsere Motivation.
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Autor:
Marc Hofstetter, Mechanical Engineer
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